Kennst Du das, wenn eine scheinbar kleine Situation Dich so tief berührt, dass Sie Dich auf ganz neue Wege bringt? Am 12. und 13. Oktober trafen sich 50 Menschen zum 4. Initiativ-Kolloquium in Berlin, um sich über die anthroposophischen Kreise hinaus mit tiefer Bildung zu beschäftigen.
Die Initiativ-Kolloquien sind bewährter Bestandteil im Vorlauf auf das Kongress-Festival „Soziale Zukunft“ im Juni 2020. Die Veranstaltungen dienen neben Inspiration, inhaltlicher Vertiefung und Netzwerken zur thematischen Vorbereitung einzelner Schwerpunkte des Kongress-Festival. Irritierende Fragen regen zur Auseinandersetzung weit über die anderthalb Tage hinaus an.
Junge Menschen aus zahlreichen Projekten wie dem Naiv_Kollektiv, Bildungsacker, Jugendseminar, Karte von Morgen, Reiseuni, Wanderuni, Lernpfad, Gemeinschaft erfahren u.v.m. trafen sich in der Aula der Waldorfschule Berlin-Mitte, wo sie ein vielfältiges Programm erwartete. Nach einem informellen Get-Together am Freitagabend begann die Veranstaltung am Samstag mit körperlicher Bewegung. Aus dem Bewegungsimpuls heraus teilten die Teilnehmenden ihre Motive. Den ersten inhaltichen Impuls gab Stephan Jansen. Nach Anekdoten aus seiner Biographie, die gespickt ist mit unerwarteten Wendungen, präsentierte Stephan sein Thesenpapier zur post-digitalen Bildung, welches anschließend in Kleingruppen diskutiert wurde. Die streitbaren Behauptungen regten intensiven Austausch über die Zusammenhänge von Bildung, Systemtheorie, Vorbildern, Wahrheit und dem großen Ganzen an.
In unserer Vorbereitung haben wir (Tiefen)Bildung betrachtet, als etwas, das uns „in der Tiefe“ in Bewegung bringt. Nach dem Mittagessen leitete Mona Lenzen in Vierergruppen eine eurythmische Gestaltung zum Thema Freiheit und Gesetzmäßigkeit. Daraufhin bildeten sich Vertiefungsgruppen in denen existenzielle Fragen zu Bildung thematisiert wurden.
Am Sonntag führten wir die Kleingruppenergebnisse aus der Eurythmie zusammen. Da alle Arbeiten auf dem Quadrat basierten konnten wir die unterschiedlichen Gestaltungen zu Einem zusammenfügen. Anschließend erzählten Margret Rasfeld und Ihre Sparringpartnerin Jamila uns von Ihrer Vision und ihrem Engagement das Schulwesen zu transformieren: Mit Ihrer Erfahrung als Schulgründerin zeigte Margret, wie sie durch Vertrauen in die Schüler*innen tiefe Kompetenzen wie Gemeinschaftsfähigkeit anregt. Jamila berichtete aus ihrer Perspektive als Schülerin von Ihren Erfahrungen mit „Lernbüros“ und Fächer wie „Verantwortung“ und „Herausforderung“. Aufstellungen im Raum machten sichtbar, mit welchen Anliegen wir dort waren und ermöglichten Menschen zu finden, um gemeinsam nächste Schritte zu gehen.
Mir ist nochmals deutlich geworden wie schnell „Bildung“ als institutionelle Bildung verstanden wird. Dabei verweist das schöne Wort auf so viel mehr, als die Fähigkeit Informationen wiederzugeben. Machen wir ein Gedankenexperiment: 1. Werde Dir bewusst: Welches sind Deine drei Höhepunkte formaler Bildung, auch Schein-Bildung? 2. Vergleiche: Welches sind Deine drei Erfahrungen von Tiefenbildung? Wenn ein unscheinbarer Impuls Dich auf neue Wege bringt? Wenn ein Same in Dir aufgeht und etwas keimt?
Die formale Bildung ist stark rational geprägt. Auf dieser Ebene könnten wir auch von horizontaler oder von Oberflächenbildung sprechen. Also, wie schaffen wir Bildungsmomente, die tiefer reichen und auch Herz-Raum und Bauchgefühl entwickeln? Selbst wenn wir nicht alle beantworten konnten, so hat das Treffen viele Fragen aufgeworfen.
Gerriet Schwen
Bild: Alexander Capistran